Deir el-Medine

 



Deir el Medine, das Tal der Handwerker, Arbeiter und Künstler 

In einem eigenen Dorf auf der Westbank lebten hier vor 3000 Jahren ( von etwa 1290-1070 v. Chr.) die altägyptischen Künstler und Handwerker, die die Felsengräber der Pharaonen anlegten und ausschmückten.

Zu Beginn der 18. Dynastie unter dem Pharao Thutmosis I. wurde mit dem Bau der Siedlung begonnen und ständig erweitert. Während der Ramessidenzeit bedeckte es etwa zwei Hektar und es lebten ca. 400 Personen dort.

 

Viele Familien lebten seit Generationen dort und das Wissen, sowie handwerkliches Geschick wurde an die Nachkommen weitergegeben.
Es gab eine strenge Rangordnung und Arbeitseinteilung über den Ablauf und die Aufgaben jedes einzelnen Bewohner und Handwerker, welche streng kontrolliert wurden.
Regelmäßige Berichte über den Fortschritt der Tätigkeiten, Aktivitäten der einzelnen Arbeiter, ja auch Unregelmäßigkeiten oder Fehlverhalten jedes einzelnen,  erhielten die den jeweiligen Pharaonen.

Es war ein Privileg dazuzugehören und eine Ehre für die Künstler und Handwerker, zu den Auserkorenen zu zählen, die hier arbeiten und wohnen durften. Allerdings hatte es auch Nachteile. So waren sie verpflichtet ihr ganzes Leben in diesem Dorf zu leben, welches mit einer hohen Mauer aus ungebrannten Ziegeln umgeben war.

Der größte Teil, von dieser auf Erdgeschoß noch gut erhaltene Stadtanlage mit etwa 70 Gebäuderesten stammt aus der Ramessidenzeit.

 

Die Stadtanlage war durch eine breite Hauptstraße und einigen Nebenstraßen erschlossen.

Die Häuser verfügten über vier oder fünf Räume, einen Eingangsraum, welcher eine Tür zur Straße hatte. Ebenso besaßen sie neben dem Wohnraum und der Küche, einen Vorratsraum und ein oder mehrere Keller.

 

Die Umgehungsmauer bestanden wie die Häuser aus ungebrannten Ziegeln mit Dächern aus Palmholzbrettern. Innen waren die Wände mit einer Stuckschicht aus Gips, Kalkstein und zermahlenem Stroh ausgekleidet, der weiß gewaschen wurde.
Die Böden waren aus Stein, man sieht heute noch teilweise Rillen und Spuren, verursacht von den hölzernen Türen. Aus Bänke, Stühlen, Hockern bestand das Mobiliar, geflochtene Körbe dienten zur Aufbewahrung für verschiedene Gegenstände. Nahrungsvorräte und Getränke wurden in Keramikvasen aufbewahrt.
Viele Gefäße für kosmetische Produkte, Salben und Bronzespiegel fand man, was darauf schließt, daß auf Körperpflege großer Wert gelegt wurde.

Die Künstler und Handwerker waren angesehene Leute, wurden auch dementsprechend honoriert, überwiegend in Naturalien.
Streng bewacht wurde ihr Dorf, das kommen und gehen zum Arbeitsplatz.

Sie ließen ihre Familie zurück und gründeten dort eine neue oder wurden als Jugendliche in eine andere Familie aufgenommen und adoptiert.

Dafür war ihr Einkommen und der Lebensstandart weit höher als der Bevölkerung auf der Ostseite des Nils.
Es war ihnen dadurch auch möglich, ihre Familie zu unterstützen.
Selbst durften, wenn überhaupt nur die wenigsten, zu Besuch zu ihren Familien und  auch keinen Besuch bekommen. Wußten sie doch um die Geheimnisse der Königsgräber und ihrer Lage.

Mit einfachen Steinbrechwerkzeugen - holzgeschärfte Hammer aus Hartstein, kupfernen Dechseln und Spitzhacken - schafften es die Bewohner Wunderwerke an Exaktheit darzustellen. Beim Grab Ramses II. und bei Sethos I. stimmt architektonisch zum Beispiel alles bis auf den Hundertstelzoll genau.
Die Königlichen Schreiber führten genau Buch über alle Geschehnisse und Materialien. Sie schrieben diese gewissenhaft auf kleine Täfelchen ( Tonscherben), die sogenannten Ostraka . Hiervon hat man umfangreiche Funde gemacht und kann somit das Leben der Bewohner und im Lande recht gut nachvollziehen.

Verantwortlich für die Arbeitseinteilung und den Ablauf waren die Vorarbeiter. Sie beaufsichtigten gleichzeitig die Arbeit der Steinbrecher, Reliefbildhauer, Mörtelrührer, Gipser, Gerüstbauer und Hilfskräfte.

Für die Qualität der Arbeiten am Grab, von der gewissenhaften Ausführung des Bauplanes bis zur exakten Bemalung der Wandreliefs mußten sie bürgen.

Unter jedem Herrscher vollbrachte man architektonische Leistungen dieser Art. Tradition bestimmte bis ins einzelne Größe, Reihenfolge und Anzahl der Räume, Pfeiler und Gänge sowie den Ort, wo die heiligen Texte anzubringen waren, die an den Grabwänden die Reise des toten Königs durch die Unterwelt schilderten.

Der Ritus - um einen solchen handelte es sich ja beim Bau eines Königgrabes - erlaubte wenig Abweichungen von einem vorgeschriebenen Ur-Grundmuster. Doch trotz dieser ungemeinen belastenden Vorgabe bestand ein gewisser Spielraum für Verbesserungen, ja auch für manche Experimente. Denn Ägypter liebten nichts so sehr, wie die Fortentwicklung und Vereinfachung der übernommenen Vorlagen.

Klar, machten sich auch die Künstler und Handwerker um ihr eigenes Weiterleben nach dem Tod Gedanken.  In ihrer Freizeit schufen sie sich ihre eigenen Gräber in den Fels über ihrem Ort. Verschiedene Gräber findet man dort, einfache bis luxuriöse. Die Größe und Ausstattung dieser Gräber geben uns einen Rückschluß auf den sozialen Status der Bauherren.

Nahe dem Wohnbereich, an den Berghängen legten die Handwerker (die Felsengräber stammen überwiegend ais der XIX. und XX. Dynastie) ihre Gräber an.

 

Der Grundriß der Gräber bestand aus einem kleinen Pylon, ein oder zwei Höfe, in denen sich im hintersten Teil eine Kapelle mit einem Eingang befand.
An der nach Osten ausgerichteten Innenwand ist eine Nische zu finden, in welcher vom Verstorbenen eine Statue aufgestellt wurde mit einer Stele, worauf sich der Text des Sonnenhymnus befand.
Die äußere Kapelle wurde zur Ausübung des Kultes der Toten benutzt, welche in Grabkammern  tief in den Berg gehauen, mit reichlichen Grabbeigaben, bestattet wurden.
Die Grabgewölbe wurden in größter Sorgfalt bemalt. <

Weil sie nicht ganz den strengen Regeln ausgesetzt waren, wie die Könige, die ein Monopol auf religiöse und göttliche Darstellungen hatten, findet man in den Arbeitergräbern Szenen aus dem Alltag und ihrem Glauben.

Wie auf dem Bild oben zu sehen, wurden einige Gräber von einer kleinen Pyramide überragt.

Aus den zahlreichen Ostraka mit  der Gewissenhaften Buchführung der königlichen Schreiben und den Briefen über Geschehnisse im Dorf sowie aus den Darstellungen in den Gräbern, ist es noch in heutiger Zeit möglich Einblick in das Leben der Bürger in einen kleinem Umfang zu erhalten.

Das Zusammenleben auf engstem Raum führte auch zu Konflikten, wie man aus den Niederschriften ersehen kann.  Da ihr Dorf nicht im Fruchtland lag, waren sie auf regelmäßige Lieferungen von der Versorgungstruppe aus dem fruchtbare Land angewiesen.  Jahrhunderte lang gab es eine gut funktionierende Verwaltung, wodurch die Versorgung der Handwerkersiedlung gesichert war. Unter Ramses II., mit dem Niedergang des alten ägyptischen Reiches, kam es zu wirtschaftlichen Problemen im Land. Davon blieben die Bewohner der Arbeitersiedlung auch nicht verschont. Verfolgen konnte man dieses in den Dokumenten, es gab Schreiben, wo genau erwähnt wurde, daß die Lieferung entweder gar nicht oder verspätet eintraf. Die ersten dokumentierten Streiks fanden statt. Warnungen und Bittgesuche an die Administratoren sind zu lesen, wie dieses zum Beispiel:

" Ich arbeite an den Gräbern der Kinder des Königs, die zu machen mein Herr mir in Auftrag gegeben hat. Ich arbeite sehr, sehr sorgfältig, sehr trefflich ... Aber leide an Mangel. Alle Vorräte für uns aus dem Schatzhaus, aus der Scheune und aus dem Magazin sind erschöpft. Eine Last von Steinschutt zu schleppen ist aber nicht leicht. Statt sechs Maß der monatlichen Ration erhielten wir die gleiche Menge an Dreck. Mein Herr möge Mittel finden, uns am Leben zu erhalten. Wir sterben ja des Hungers...! "
(
zitiert nach Emma Brunner-Traut aus "Die alten Ägypter")

Solche Art der Dokumentationen fand man über den Zeitraum eines Jahres. Es gab immer wieder Aufstände der Arbeiter, die Situation änderte sich nicht. Den letzten Bericht fand man datiert aus dem Jahre 30 der Regierungszeit des Pharao Ramses II.. Gegen 1070 v. Chr. gaben die Handwerker dann wohl auf und verließen die Arbeitersiedlung.

Innerhalb der Ziegelumwallung der Siedlung befindet sich etwas weiter nördlich ein kleiner Tempel, der Hathor-Tempel.
Einige Gräber besichtigte ich. Ein Grab möchte ich hier vorstellen: Grab des Sennedjen (TT 1)
 

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