Musawwarat es-Sufra
 

Musawwarat es-Sufra liegt im Kernland des heutigen Sudans im Wadi es-Sufra, etwa 160 - 180 km nördlich von Khartoum und 40 km östlich des Nils. Seinen Namen bekam der Ort durch die vielen Skulpturen und Reliefs. Musawwarat bedeutet übersetzt "Gelbe Bilder".
Es ist eines der bedeutendsten Kultzentren des antiken Reiches von Meroe (ca. 600 v. Chr. bis 300 n. Chr.).
Die ersten Berichte über diese Altertümer stammen von den Franzosen Frèdèric Caillaud und Linant de Bellefonds, als sie 1822 mit dem turko-ägyptischen Heer Mehemmed Alis an diesen Ort kamen. Danach folgte im Jahre 1833 der Brite George Hoskins. Von diesen früheren Reisenden wurden schon ausführliche Beschreibungen, Zeichnungen und Pläne von Musawwarat veröffentlicht.
Die wichtigste Quelle ist auch heute noch die von der Preußischen Expedition 1844 unter R. Lepsius publizierten Pläne und Zeichnungen.
In den Jahren 1960 bis 1972 wurden von Archäologen der DDR unter Leitung von Prof. Fritz Hintze die dort erhalten gebliebenen archäologischen Zeugnisse ausgegraben.
Während diesen Arbeiten wurden 14 verschiedene Bauten freigelegt, deren Baugeschichte chronologisch und zweckbestimmt eingeordnet werden konnten.
Die Gebäude erhielten als Bezeichnung die Nummer ihres Bereichs und einen Buchstaben des lateinischen Alphabets.
Durch die regelmäßigen Wasserfluten der Regenzeit und den sandigen Winden sind die Ruinen von akuter Zerstörung bedroht.
Seit 1996 werden systematisch Restaurierungsarbeiten von der SAG (Sudanarchäologischen Gesellschaft der Humboldt-Universität zu Berlin) ausgeführt.
Der Ort liegt in einem ca. fünf Kilometer breiten Talkessel. Die größte Ruinenstätte an diesem Ort wird als „Große Anlage“ bezeichnet.
Das Zentrum ist eine Kultstätte, deren drei Tempel, teilweise auf Terrassen stehend, von einem Labyrinth miteinander verbundener Höfe, Durchgänge und Rampen umgeben sind.

Der bedeutendste Komplex ist die "Große Anlage" mit drei zum Teil auf künstlichen Terrassen erbauten Tempeln, die eine Fläche von insgesamt 64 000 qm einnimmt.
Der Gebäudekomplex von ca. 500 x 200 m Größe besteht aus Gängen, Rampen, Höfen, Zwischen- und Umfassungsmauern mit mehreren Monumentaltoren, Tempeln mit und ohne Säulenumgang sowie Kapellen und Profanbauten.
Grundriss und Bauweise sind einmalig und es finden sich keine Parallelen im gesamten Niltal.

Die Mauern, aus Sandsteinblöcken errichtet, waren einst bestuckt und wahrscheinlich auch (monochrom?) bemalt. Außer an einigen Säulen und der Westkapelle waren sie ohne Reliefschmuck. An der Westkapelle fand man noch schlecht erhaltene Kartuschen, die wahrscheinlich den Namen des Arnekhamani (235-218 v. Chr.) enthalten.
Im ägyptischen Niltal sind viele der Architektur- und Schmuckelemente in dieser Art unbekannt, wie die Kombination von Statue und Säule (welche bisher nur in Meroe belegt ist) ebenso tiergestaltige Säulenbasen, über Eingängen Sandsteinplatten mit drei plastisch aus der Oberfläche herausragenden Tier- und Menschenköpfen, die die Götter Amun, Tefnut, Schu, Sebiumeker, Arsensnuphis und Isis darstellen.

Die Anlage wurde nicht in einem Zug errichtet, sondern in verschiedenen Baustufen. Hierbei wurden in jeder der insgesamt acht Baustufen Teile der Anlage abgerissen und leicht versetzt und überwiegend in ähnlicher Form wieder neu errichtet.
Nachgrabungen ergaben an Hand verschiedener ausgegrabener Überreste, dass das Areal der Großen Anlage schon vor der Baustufe I bebaut war.
So beginnt die Geschichte der Großen Anlage schon früher als angenommen. Zu erkennen ist, das die wesentliche funktionale Gliederung der Großen Anlage schon in den frühesten Baustufen angelegt und bis zur Aufgabe des Meroitischen Reiches auch beibehalten wurde.
Zum Zentralheiligtum führte schon in der Baustufe I ein Gang an der gleichen Stelle, der in den folgenden Baustufen zwar erneuert, aber immer beibehalten wurde.
Die Anlage wurde in der Baustufe II nach Norden um mehrere Höfe erweitert, so bot sie für eine große Menschenmenge Platz.
In der Baustufe III erfolgte eine Neugestaltung der gesamten Anlage, in Tempelbereichen und Hofanlagen die einheitlich orientiert sind und nur um ca. 4° von den früheren Bauten abweichen.
Um das gesamte Areal wurde eine Umfassungsmauer errichtet, in welcher ein monumentales, mit Reliefs versehenes Tor eingefügt wurde. Störende Bauteile wurde dabei entfernt.
Eine weitere Erneuerung erfolgte in der Baustufe IV. Eine zweite Kultstätte im Westen wurde hinzugefügt. Durch einen langen Gang waren beide Tempel miteinander verbunden.
Auch in den folgenden Baustufen wurde der Plan dieser Anlage nicht geändert. So konnte diese Anlage ihren Charakter als Kult-, Pilger- und Kommunikationszentrum an der Schnittstelle zwischen Ägypten und Schwarzafrika erhalten.
Es ist schwer festzustellen, welche Mauern und welche Bauten zu welcher Baustufe gehören.
Während der Ausgrabungen traten auch Mauerzüge zutage, die oberflächlich nicht mehr sichtbar waren. Sie bildeten aber mit den stehenden Mauern weitere Räume bzw. Höfe, die das Gesamtbild aus meroitischer Zeit dokumentieren.
Eine umfassende Auswertung der einzelnen Baustufen fehlt bis heute.

Deutlich zu erkennen ist die Abkehr in der Ikonographie vom ägyptischen Stil.
So werden die Herrscher möglichst genau dargestellt und nicht mehr in ihrer Idealform.
Am gesamten Areal erstrecken sich die Bautätigkeiten hauptsächlich auf die meroitische Periode.
Auffallend sind ebenso die vielen Elefantendarstellungen.
Wegen der zahlreichen Elefantendarstellungen wurde dieser auch als Zählungsdarstellungen für Elefanten (vermutlich auch als Kriegselefanten) angesehen.
Dieser Theorie schließen sich die heute tätigen Archäologen (z. B. der dort zur Zeit tätige Pawel Wolf) nicht mehr an, es gäbe sonst keine weiteren Belege dafür.

Auf diesem Foto ist eine extrem breite Rampe zum Teil erhalten, auf der die Elefanten zur Zählung gelaufen sein sollten.
Die Große Anlage war der heilige Bezirk von Musawwarat es-Sufra. Insgesamt wurden dort vier Hauptgottheiten verehrt:
Amun-Re, Arensnuphis, Apedemak und Sebiumeker.
Auf kleinen Terrassen wurden Tempel mit Kapellen errichtet. Fritz Hintze zählte vier Tempel in der großen Anlage, in der Mitte befindet sich ein Zentraltempel.
Auf dem Areal lebten Priester und Bauern in kleinen Hütten. Die Wasserversorgung erfolgte über zwei Regenwasserauffangbecken.
Das im Osten des Tales gelegene Auffangbecken konnte mehr als 150.000 qm an Wasservorrat speichern. Weil das Tal heilig war, wurden die Bewohner nach ihrem Tod außerhalb begraben.

Am sonst nur spärlich vorhandenem Dekorationsprogramm an den Wänden der Großen Anlage sind etwa über tausend Inschriften und Ritzzeichnungen (Sekundärbilder) zu finden, welche eine nicht-offizielle Kunst der meroitischen und der nachfolgenden Perioden darstellen. Die Ritzzeichnungen umfassen Motive in Menschen- und Tiergestalt.
Neben Ganzkörperdarstellungen sind auch viele Kopfdarstellungen zu finden.
Zum Teil werden diese als Portraits von Königen, Prinzen oder als Feinde interpretiert.
An Tierdarstellungen sind wilde Tiere, Elefanten, Giraffen, Antilopen, Paviane, Krokodile, Schlangen, Rinder, Pferde, Schafe, Hunde, Löwen, Hasen, Fische sowie verschiedene Vogelarten zu sehen.
Es sind auch Darstellungen von Booten, Architekturelementen, Altären und meroitischen Symbolen zu finden.
Zum Teil repräsentieren Darstellungen mythologische Themen, wie auch Szenen aus dem täglichen Leben.
Verschiedene Darstellungen lassen daraus schließen, dass sie aus der meroitischen Zeit stammen, ca. 300 v. Chr. und 350 n. Chr.. Es wird aber angenommen, dass einige Sekundärbilder aus älteren Baustufen stammen, weil die Sandsteinblöcke auch sekundär verbaut wurden.
Reisende aus dem 19. Jahrhundert haben sich dort auch verewigt, wie z. B. Linant de Bellefonds, Frédéric Cailliaud, Fürst Pückler Muskau oder die Königlich Preussische Expedition unter Karl Richard Lepsius.
 

Zu finden sind dort auch szenische Darstellungen, wie eine "Kalbungsszene", oder "Biertrinker", ebenso ein erotisches Graffito "Heilige Hochzeit" (siehe linkes Bild), und vielerlei Jagd- und auch Kampfszenen. Sie geben besonders lebendige Einblicke in die Gedankenwelten der Menschen der meroitischen Epoche.

 


Umzeichnung aus Zeitschrift
"Der Antike Sudan" MittSAG 13;
Artikel von Steffen Wenig.

 

Fotos von der Anlage Musawwarat es Sufra Februar 2010

   
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Literatur zu Musawwarat es Sufra ; Skizze:  Wildung, Dietrich; Sudan. Katalog. Tübingen 1996