Gebel Barkal Tempel und Tempelareal mit Ruinenresten
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Ab Thutmosis III. bilden zahlreiche Bauten die südlichsten Zeugnisse ägyptischer Tempelarchitektur. Östlich des Gebel Barkal befinden sich in der Ebene direkt vor dem Berg Ruinen von Tempel und Grabbauten der ehemaligen Tempelstadt.
Die ersten verwendbaren Beschreibungen, Pläne und Zeichnungen stammen von dem französischen Mineralogen Frédéric Cailliaud, der Nubien 1821 bereiste. Von seiner Reise durch Nubien im Jahr 1829 erwähnte er in seinen Reisebeschreibungen Details des Tempels B 300. Vom Engländer George Alexander Hoskins, welcher 1833 vor Ort war, stammen Zeichnungen vom Gebel Barkal und vom Tempel 300.
Während seiner Expedition war der deutsche Ägyptologe R. Lepsius am Gebel Barkal tätig. Er veröffentlichte die erste wissenschaftliche Publikation über die Tempelanlagen am Gebel Barkal, des Pyramidenfeldes und der Umgebung.
Auf Grund des Mahdi-Aufstandes von 1881-1899 ruhten zum großen Teil die Erkundungen in Nubien.  E. A. W. Bugde nahm die Arbeiten 1897 wieder auf und J. H. Breadtsted vom Oriental Institute der Universität Chicago unternahm 1907 eine bisher unveröffentlichte und unersetzbare Fotoexpedition.
Umfassende Grabungen und Freilegung der Tempel am Gebel Barkal erfolgten zwischen 1916 bis 1920 durch Georg A. Reisner im Auftrag des Museums of Fine Arts Boston und der Harvard Universität. Diese Ergebnisse sind allerdings nur teilweise veröffentlicht. Dows Dunham, der Expeditionsteilnehmer unter Reisner war, veröffentlichte erst 1970 Funde und Inschriften aus dieser Grabung.
Seit 1972 finden Grabungen durch die italienische Mission der Universität Rom "La Sapienza" unter der Leitung von S. Donadoni und ab 1993 gemeinsam mit A. Roccati statt, welche ab 1997 unter der Leitung von A. Roccati weiter laufen. Bisher liegen hiervon Vorberichte vor, keine ausführlichen Publikationen.
Seit 1986 finden durch T. Kendall vom Museum Fine of Arts Boston Forschungstätigkeiten vor Ort statt, die noch heute andauern. Zwischenberichte sind bis jetzt teilweise veröffentlicht. Neben Reisner waren und sind noch weitere Ägyptologen tätig, die sich mit speziellen Themen beschäftigen. 
Die Identifizierung der einzelnen Ruinen auf dem Übersichtsplan (siehe oben) von Kendall folgt dem von Reisner angegebenen Schema der Zuordnung von Hundertern für jedes Objekt und von Zehnern und Einern für deren einzelne Räume. Die Übersicht der Ruinen der Tempel- und Palastbauten auf den Zeichnungen erfolgt von West nach Ost und zwar der wirklichen Himmelsrichtung entsprechend und nicht der von Reisner verwendeten, die am Lauf des Nils orientiert war, der in diesem Teil Nubiens "verkehrt herum" fließt, nämlich von NO nach SW.
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Maßstabgerechte Rekonstruktionsgrafik der Tempel am Gebel Barkal. Die Gebäude wurden in ihren an den Grundmauern rekonstruierten Abmessungen in Relation zueinander und auch zur Höhe des Felsens dargestellt. Die Höhe der Gebäude wurde aus den archäologischen Befunden ermittelt. Der zu den unterschiedlichen Zeiten stark variierende Erhaltungszustand der einzelnen Gebäude ist dabei nicht berücksichtigt und zeigt somit einen so nie gewesenen "Idealzustand".
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Blick über das Gelände am Gebel Barkal mit Ruinenresten von Tempel und Gebäuden

Folgend zeige ich Fotos von dem Tempel, die ich mir näher anschauen konnte.
Gebel Barkal Tempel B 500
Der Tempel B 500 ist mit seinen fast 160 Metern Länge der größte Tempel am Gebel Barkal. Er wurde in ägyptischer, napatanischer und meroitischer Zeit mehrmals umgebaut und erweitert. Sein Ursprung reicht bis in das Neue Reich in Ägypten zurück.
Das Ipet-sut (auserwählter Ort) bildete das Zentrum des Amun von Napata, wurde unter Tutanchamun / Haremhab begonnen, später von Sethos I. und Ramses II. weiter ausgebaut. Die nubischen Könige Pije und Taharqa bauten weiter, ebenso erfolgten unter den Meroiten mehrfache Wiederherstellungen.

Ausgegraben wurde der Tempel 1916 von Reisner und von ihm auch weitgehend publiziert. Wie bereits erwähnt finden seit 1968 durch T. Kendall weitere Ausgrabungen statt.
Hierbei konnte festgestellt werden, daß ein kleinerer ursprünglicher Tempel der möglicherweise aus Nilschlammziegel bestand durch Thutmosis III. (?) errichtet wurde.

In späterer Zeit wurde dieser Tempel überbaut bzw. abgetragen und durch einen neuen Bau ersetzt und zu Amenhotep IV. (Echnaton) / Akhenaten (1353-1335 v. Chr.) Zeiten in einen Aton-Tempel umgewandelt. Dieser Tempel wurde nach dieser Zeit von den folgenden Pharaonen übernommen und wahrscheinlich bereits durch Tutanchamun (1333-1324 v. Chr.) und folgend durch Haremhab bzw. Sethos I.  teilweise umgebaut und wieder dem Gott Amun gewidmet. Die Talatblöcke aus dem alten Tempel wurden übernommen, auch die aus der Zeit von  Amenhotep IV. (Echnaton)/Akhenaten, welche überarbeitet und so weit wie notwendig Amun wieder installiert wurde. Erweiterungen fanden dann unter Ramses II. (1290-1224 v. Chr.) statt. Danach erst wieder unter Pianchi (ca. 750-716 v. Chr.), der den Tempel zu seiner gegenwärtigen Größe erweiterte. 
Die Dekoration des Tempels wurde unter Taharqa und Tanutamen vervollständigt, die zum großen Teil durch ein Feuer 593 v. Chr. während  ägyptischer Angriffe unter Psamtik II. (595-598 v. Chr.) zerstört wurde.
Die letzte komplette Restaurierung fand Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. durch das meroitische Königspaar Natakamani und Amanitore statt.

Plan B 500: Porter&Moss Band VII
Der zuletzt vollständige Tempel sah folgend aus (siehe Skizze oben):
Eine Allee von Widdersphingen führt zum ersten, etwa 50 m breiten Pylon mit Eingangskiosk der Königin Amanishakheto.

Die Widderallee befand sich ursprünglich im Tempel von Soleb und wurde (wahrscheinlich von König Taharqa) zum Gebel Barkal versetzt. Reste von Widder-Fragmente befinden sich noch in Soleb. Der schönste Widder wurde von Lepsius nach Berlin gebracht. Im Jahr 2011 wurden bei zwei Widdern die Köpfe zerstört.


Im dahinter liegenden Säulenhof befand sich eine zentral aufgestellte Barkenstation aus dem 3. Jh. v. Chr.. Es folgt ein älterer 2. Pylon mit einem Barkenkiosk des Tanutamen im Zentrum. Ein 3. Pylon schließt sich an mit einer 2 x 5m Säulenhalle, danach folgt der ursprüngliche Kernbau, der einen Pylon und eine Gruppe von verwinkelten Sanktuaren umfasst mit einem Granitaltar, der aus der Zeit des Taharqa zu datieren ist.
Gebel Barkal Tempel B 300
 
Der Tempel B 300 liegt etwa 25 Meter nordöstlich (rechts) neben dem Tempel B 200 an der Südspitze des Gebel Barkal unterhalb der Felsnadel. Er wurde unter dem König Taharqa gebaut und der Göttin Mut (fusioniert mit Formen der Hathor und Sachmet) geweiht ist. 
Der von Taharqa erbaute Tempel, ein Hemispeos
3 , ist der am besten erhaltene Tempel am Gebel Barkal. Nach Angaben von Rüpell4 dürfte der Tempel noch um 1800 weitgehend intakt gewesen sein. Er berichtet, daß nach seinen Informationen aus dem Jahr 1829, die Decke des Zugangssaales erst ca. 25 Jahre zuvor eingestürzt sei.
Zur Zeit der Lepsius Expedition waren jedoch Portikus und Vorhof bereits zerstört.
Der Tempel besaß einen Pylon mit axialen Säulenreihen.
Zum Vorhof, in dem sich acht Bes-Pfeiler und acht Säulen mit Hathorkapitellen befanden, führte wahrscheinlich eine Treppe zum Vorhof. Zwei Säulen des Tempels mit Hathorkapitellen, wurden heute wieder aufgerichtet.
Der anschließende quer gelagerte Raum mit acht Hathorkapitellen war bereits teilweise in den Felsen gearbeitet. Im folgenden Raum, der als Opfertischsaal angesehen wird, stützen zwei Bes-Pfeiler die Decke. Dieser Raum enthält gut erhaltene Reliefs.
Von diesem Raum führen Zugänge zu drei parallel liegenden Sanktuaren. Diese Sanktuare sind ebenfalls reichlich dekoriert.
Vom mittleren Sanktuar für ein nachträglicher Durchbruch in einen kleinen undekorierten Raum.

Während seinen Ausgrabungen fand Reisner unterhalb des Vorhofes Reste eines Vorgängerbaues, den er B 300-first nannte. Auf Grund des Baumaterials datierte er diesen Vorgängerbau in die Zeit Thutmosis III. (1490-1439 v. Chr.). Allerdings sprechen wiederverwendete Blöcke mit Kartuschenfragmenten von Ramses II. (1290-1224 v. Chr.) in B 300 und am nahegelegenden  Gräberfeld eher für eine Datierung in die ramessidische Zeit.
Der ursprüngliche Bau für die Göttin Mut aus der Zeit des Neuen Reiches war ein freistehender Tempel.

25 Meter westlich befand sich der ähnlich große und ebenso teilweise in den Felsen gebaute Tempel B 200 für die Göttin Hathor. Beide Tempel huldigen einen Sonnenkult, dem Mythos vom Auge des Re. Dieser Hathor-Tempel besaß drei Altarräume, für Hathor, Tefnut und eine weitere unbekannte Göttin.
Von diesem Tempel ist heute nicht mehr viel erhalten.

Plan B 300: Porter&Moss Band VII
Hier befinden sich unter den Vorschaubildern auch nähere Informationen zu den Dekorationen.

Barkal Tempel B 700

Foto: Boston Museum Fine of Arts5
Der Tempel B 700 wurde von Atlanersa, ein nubischer König, der um 640 v. Chr. regierte, gegründet. Er war der Sohn des Taharqa. Sein Nachfolger Senkamanisken vollendete den Bau. Der Tempel war dem Gott Amun geweiht.
Nach einem Felssturz von der Klippe des Berges in früher meroitischer Zeit wurden die dadurch zerstörten hinteren Kammern restauriert.
Inschriften auf den umgefallenen Säulen und Reliefblöcke innerhalb des Tempels B 700 zeigen, daß der Tempel alle wichtigen lokalen Aspekte des Amun vom Norden bis zum zweiten Katarakt zeigen: Amun von Napata, Amun von Karnak, Amun von Kawa, Amun von Pnubs, und Dedwen der Semna. Bruchstücke eines großen Monuments oder eines Schreins enthalten Widmungen für Osiris von Dedwen. Kendall deutet dies für eine besondere Rolle des Tempels im Kult für den toten vergöttlichten König.
In diesem Tempel wurde eine sorgfältig mit Reliefs und Inschriften versehene Barke gefunden, die sich heute im Museum Fine oft Arts in Boston befindet und als Barkenstation für Amun diente.
   
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1 Kendall, T.; A new map of the Gebel Barkal Temples; in: Ch. Bonnet (ed.) Etudes Nubiennes: Conf. de Geneva 1994, p. 139-145.
2 Skizze Rekonstruktion: T. Kendall: The Gebel Barkal Temples 1989-90. A progress report on the work of the Museum of Fine Arts, Boston, Sudan Mission.
  Seventh Intern. Conf. for Nubian Studies, Geneva 3.-8. Sept. 1990.
3  Ein Hemispeos ist ein Felsheiligtum welches im hinteren Teil im Felsen eingebaut ist und vorne aus freistehender Architektur besteht.
4  Rüpell, Eduard; Reisen in Nubien, Kordofan, und dem peträischen Arabien. Frankfurt am Main 1829.
5 http:/www.thepath.jp/album/boston_mfa/boston_mfa_008.html
 
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