Erste Zwischenzeit
(in Herakleopolis, etwa 2170/2120 - um 2025/2020 v. Chr.)
 

(1)

Ägypten während der 1. Zwischenzeit
Die Herakleopoliten (9./10. Dynastie) und die Thebaner (11. Dynastie).

 

Die erste Zwischenzeit, die die Zeitspanne zwischen dem Alten Reich und dem neuen Reich umfaßt, ist zeitlich nicht exakt abzugrenzen, weil aus dem Alten Reich keine absoluten Daten überliefert sind. Aus diesem Grund ist die ältere Chronologie recht unsicher. Manetho führt die Namen der 6. Dynastie noch namentlich auf, von den Königen der 8.-11. Dynastie erwähnt er dann nur noch deren Anzahl und die Jahre der Herrschergruppen. Die ägyptischen Königstafeln übergehen die Herrscher der Zwischenzeit und erwähnen erst wieder Mentuhotep II. als Vereiniger von Ober- und Unterägypten. Es hat so den Anschein, daß als Kriterium für ihre Listen nur die Herrscher des vereinten Königreiches zählten. Ein Unterschied ist allerdings auf den Königslisten von Abydos und Sakkara beobachten. So nennt Abydos noch 17 zum Teil unbekannte Namen, Sakkara dagegen läßt die 8. Dynastie aus. Der Turiner  Königspapyrus nennt die Herrscher der 8. Dynastie zum Teil mit Namen und summiert nicht nur die Jahre der 6. und 8. Dynastie, sondern auch die Jahre, welche bis zu diesem Zeitpunkt seit Anfang der Geschichte vergangen sind. Hieraus ist erkenntlich, daß nach ägyptischer Überlieferung die 8. Dynastie zum Alten Reich gerechnet werden kann und zur 1. Zwischenzeit die Könige der 9. und 10. Dynastie sowie die Könige die zeitgleich mit ihnen als erste Herrscher der 11. Dynastie geherrscht hatten.
 

Auf dem Turiner Papyrus ist die sogenannte Herakleopoliten-Zeit (so benannt nach dem Ort, aus dem die Herrscher stammen sollten) als eine geschlossene Gruppe von 18 Herrschern angegeben (Kol. IV,18-V, 10). Manetho führt dagegen zwei Dynastien auf: seine 9. Dynastie mit 19 (Africanus) bzw. 4 (Eusebius) Königen und 409 bzw. 100 Regierungsjahren. In seiner 10. Dynastie mit (in allen Überlieferungszweigen einheitlich) 19 Königen mit 185 Jahren.
Diese Daten werden sehr angezweifelt und beruhen wahrscheinlich auf eine irrtümliche Verdopplung, ebenso sind die Jahresangaben (nach Beckerath) sehr unwahrscheinlich.

Die meisten Namen und Jahreszahlen sind leider zerstört. Weder die die Anzahl noch die Reihenfolge oder Identität lassen sich bestimmen.
Beckerath ist es zumindest teilweise gelungen einige Namen der Herakleopoliten Herrscher zu rekonstruieren. Die Ergänzung war dadurch möglich, daß ein gewisser Cheti (
Htj) nach Manetho die Herakleopolitendynastie begründet haben soll.
In der 9. und 10. Dynastie  ist die Macht der in Herakleopolis herrschenden Gaufürsten so stark geworden, daß der memphitische Gau ihrem Herrschaftsbereich einverleibt wurde, welche allerdings das Niltal nur bis Assiut kontrollierte. Südlich von Assiut bildete sich zur gleichen Zeit mit der Hauptstadt Theben ein weiterer Herrschaftsbereich.
Nach Grabbiographien aus Assiut zu urteilen wurde Hierakonpolis mutmaßlich die neue Königsresidenz, Memphis blieb jedoch das Verwaltungszentrum des Reiches.
Mit dem Verschwinden der 8. Dynastie und der Machtübernahme der Herrscher aus Herakleopolis verweigerten offenbar die thebanischen Fürsten in Oberägypten den neuen Herrschern, die sie als illegal ansahen, ihre Loyalität.
Es folgte der Zerfall der zentralen Regierung.
Das Land stürzte in eine politische und gesellschaftliche Krise. Zwei Fürstentümer bestimmten von nun an die Geschicke des Landes: Herakleopolis und Theben. Nach Schätzungen regierten die Herakleopoliten mit den Thebanern ca. 90 Jahre nebeneinander.
Der Verfall der zentralen Regierung des Alten Reiches setzte nicht plötzlich ein, sondern der schrittweise Niedergang kann schon seit etwa der 6. Dynastie beobachten werden durch die Dezentralisierung des Beamtenstaates. Wie bereits unter den einzelnen Dynastien erwähnt, erforderten die wachsenden Aufgaben des Staates eine immer größer werdende Verwaltung und dadurch bedingte Zunahme der Verwaltung. So wurde es erforderlich, daß sich einige Beamte, die mit der Gauverwaltung beauftragt waren, besonders in Oberägypten, sich für längere Zeit weit entfernt von der Provinz aufhalten mußten. Durch diese Entfernung wurde es für den König schwierig diese Beamten und ihre Familien zu versorgen. Aus diesem Grund stellte der König ihnen Ländereien und Arbeiter zur Verfügung. Die Gaufürsten wurden nun Landbesitzer, fühlten sich so ihrem Wohnsitz und somit ihrer Heimat mehr verbunden als dem Staat. Durch die Erblichkeit ihrer Ämter und Vergabe wichtiger Funktionen an Familienangehörigen sind diese Beamten zu Gaufürsten geworden, die ihre Gaue wie Eigentum verwalteten. Von einer beginnenden Selbstständigkeit der Gaue und langsamen Verfall des Einheitsreiches kann man erst etwa ab der 6. Dynastie unter Pepi II. sprechen. In den späteren Jahren seiner Regierung erlangten sie wohl die Übermacht, der Einfluß des Königs und seine Macht begann schwächer zu werden, die Gaufürsten beherrschten die Grenzen ihrer Gebiete, sperrten diese, was den reibungslosen Ablauf hinderte und zu einem Verfall der Kanäle und der Bewässerungssysteme des Landes führte. Es fanden keine großräumige Planungen mehr statt. Hierdurch entstanden Hungersnöte, kriegerische Auseinandersetzungen fanden statt. Die Gaufürsten mißachteten die Grenzen, jeder strebte nach mehr Landbesitz, was die innere Auflösung des Einheitsreiches zur Folge hatte. Die Einheit des ägyptischen Staates  nach der 8. Dynastie, auch wenn diese nur noch eine nominelle war, konnte nicht mehr aufrecht gehalten werden.
Über die erste Zwischenzeit, von Eduard Meyer auch als Übergangszeit und Übergangsepoche genannt, besteht zwar grundsätzlich kein Mangel an epigraphischem Material für die Zeit nach Phiops II., doch fehlt es an königlichen Inschriften, vor allem aber an Nennungen des jeweiligen regierenden Herrschers in Privatinschriften, so daß die zeitliche Anordnung von einem Großteil der Texte schwierig und beinahe nicht möglich ist, durch das zum Teil fragmentarisch und widersprüchliche erhaltene Material.
Ein Teil der datierbaren Inschriften stammen von Beamten unterschiedlichen Ranges. In diesen kommt ein starkes Unabhängigkeitsbestreben und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewußtsein zum Ausdruck. Darin erfahren wir von Hungersnöten, kriegerischen Auseinandersetzungen und deren positiven Ausgang und politische Bewältigung. Sie geben somit einen Einblick einer unsicheren und politisch instabilen Zeit.
So rühmt sich etwa der Gaufürst Anchtifi (von Hierakonpolis und später auch von Edfu) in seiner "autobiographischen" Grabinschrift in el-Moalla der erfolgreichen Versorgung seines eigenen Gaus sowie auch der Distrikte seiner Nachbarn. Er berichtet wie er seine Leute vor dem „Sterben auf der Sandbank der Unterwelt“ bewahrte. Mit der Redewendung „auf der Sandbank“ (em tjes) spielt vielleicht auf eine niedrige Flut und damit auf eine Hungersnot an. Daran wird deutlich, das die Verantwortung und Zuständigkeit des Könighauses durch die Eigenständigkeit höherer Provinzbeamter und lokaler Machthaber übernommen wurde.
Über die Verzweifelung der Wirren während der ersten Zwischenzeit der Menschen erfährt man auch durch einen überlieferten Text "Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele".
Darin beklagt ein Mann über sein trauriges Leben und sehnt den Tod herbei. Er berichtet es herrschen böse Mächte, und er ist ohne Freunde, deshalb erhofft er sich Erlösung von seiner Not und einem besseres Dasein im Jenseits. Von Selbstmordabsichten spricht er nicht, auch wenn seine positive Haltung zum Tod ist untypisch ist und sie den Grundüberzeugungen der Ägypter, die den Tod verabscheuten widerspricht.
Seine skeptische Seele hingegen verteidigt den Wert des menschlichen Lebens im Diesseits und rät: "Folge dem schönen Tag! Vergiß die Sorge!" Erst am Ende kommt es zu einem Kompromiß, den die Seele formuliert; beide anerkennen im Standpunkt der jeweils anderen Seite etwas Berechtigtes.
Wenig bekannt ist von innenpolitischen Unternehmungen der Herakleopolitenherrscher.
Goedicke vermutet, daß ein gewisser
Cheti (Htj) (Achthoes) nördlich von Assiut, im 14. oberäyptischen Gau, eine Verteidigungslinie gegen die Thebaner errichten wollte, dort fand man zwei Gegenstände die diesen Namen tragen. Aus der "Lehre für Merikare" wurde der Schluß gezogen, daß dessen Vater (Name nicht bekannt oder nicht eindeutig) das östliche Delta eroberte und besiedelte.
An der Nord- und Südgrenze des 4. thebanischen Gaues herrschten zwei Gaufürsten, Weser und Anchtifi, nach der 6. Dynastie. Nach Anchtifi der nach dem Tod des Weser in seinen Heimatgau zurück kehrte, ergriff eine neue Fürstenfamilie die Macht in Theben. Aus der selben Familie sollte später der Reichseiniger Mentuhotep II. hervorgehen. 
Biographische Inschriften im Grab des Gaufürsten Cheti von Assiut werden von Spannungen und Kämpfe mit den Thebanern berichtet. In diesem Grab kommt auch der Name des Königs  Menkaure vor. Ein weiteres Denkmal, einen Deckel eines Salbgefäße, erwähnt Goedicke. Auf diesen soll Menkaure als "Guter Gott" bezeichnet werden. Godron veröffentlichte (in Rivista degli Studi Oriental 42, 1967, 201ff. u. Pl.1-2) eine seit langem bekannte Schreiberpalette eines Beamten names Wr-kAw-Xtj, die den Namen Merikaure erwähnt. Unsicher ist der Fundort der Palette. Da auf ihr der Besitzer den Titel eines sm- Priesters trug, wird angenommen, daß sie aus Memphis stammt und es sich um einen memphistischen Priester im Dienste des Hauptgottes von Memphis handelt. Goedicke bezweifelt allerdings in seinen Hauptuntersuchungen, daß es in dieser Dynastie nur einen Herrscher mit dem Namen Menkaure gegeben hat. Er setzt sich in seiner Arbeit mit verschiedenen Überlegungen und Vermutungen zu diesem Thema auseinander.
Auf Grund der verschiedenen Denkmäler, die die Namen einiger Herakleopolitenherrscher aufweisen, wird vermutet, daß der Machtbereich dieser Dynastie auf das Mittelägypten bis zum 8. oberägyptischen Gau beschränkt war und die Herakleopolitaner wahrscheinlich zunächst friedlich mit den Thebanern lebten, bis beide ihre Macht gefestigt hatten. Zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam es wohl erst, nachdem die Thebaner versuchten ihren Machtbereich nach Norden auszudehnen und schließlich dann als Sieger hervorgingen.

Die erste Zwischenzeit wird zwar im Allgemeinen bis einschließlich der 11. Dynastie gezählt, wo und wann genau der Übergang liegt ist allerdings nicht genau zu bestimmen.
Die 11. Dynastie bis zur Reichseinigung durch Mentuhotep II. (Mentuhotep Nebhepetre) ordne ich dem Mittleren Reich zu, in Anlehnung nach Beckerath
(2). Auch wenn er und seine Nachfolger auf den meisten Listen teilweise noch zur ersten Zwischenzeit gezählt werden.


 

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(1) Karte 4 aus: Gomaâ, Farouk; Ägypten während der Ersten Zwischenzeit. Beiheft zum Travo. Reihe B, Nr. 27
(2) Beckerath, Jürgen; Chronologie des alten Ägypten. 1997